Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!
Uwe Seeler hat nicht einen Titel mit der Nationalmannschaft gewonnen. Und trotzdem zögerten wir Jurymitglieder, zwei Dutzend Sportchefs aus ganz Deutschland, keine Sekunde, als wir 2018
die Hall Of Fame des deutschen Fußballs zusammenstellten.
Natürlich gehörte Uwe Seeler in die Gründungself der Hall Of Fame im
Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Als einziger ohne WM- oder EM-Trophäe. Bei ihm zählten schon immer andere Werte mehr als der eine Meistertitel und der eine DFB-Pokalsieg mit seinem geliebten HSV.
Man muss nur die vielen Nachrufe auf seinen Tod gestern lesen, um die Wirkung und Strahlkraft dieses Menschen zu begreifen. Er wollte niemals weg aus Hamburg, lieber das Familienleben mit seiner Ilka in Norderstedt genießen und beim HSV zwischen Hoffnung und Sorge schwanken.
“Ich entscheide die großen Dinge und meine Frau die kleinen. Welche Dinge groß und welche klein sind, entscheidet meine Frau.” Uwe Seeler 2019
Aus Italien kamen sie mit Geldkoffern in die Hansestadt, um Uwe Seeler in die große weite Welt zu entführen, die Freddy Quinn in dieser Zeit so verlockend besang. Er sagte Nein und zog stattdessen mit Handelsware von Adidas über die Dörfer, um sein Auskommen zu sichern. So war er.
“Ich kann am Tag nur ein Steak essen”, hieß ein Satz, der von ihm überliefert ist. Genau wie das Foto vom aufrichtigen Verlierer, umringt von der Musikkapelle, nach dem 2:4 n.V. im WM-Finale 1966 gegen England. Oder jene TV-Bilder vom Hinterkopf-Tor im WM-Viertelfinale 1970.
Die Geschichte dahinter ist: Er war in die Jahre gekommen, hatte einen Achillessehnenriss überstanden und erkannte plötzlich, wie dieser junge wilde Gerd Müller aus München alles in Grund und Boden schoss und ihm den angestammten Platz als Mittelstürmer in der Nationalelf abluchste.
Seeler fuhr 1970 trotzdem mit, ordnete sich als hängende Spitze ein und schenkte Deutschland das vielleicht schönste WM-Turnier ever. Nicht weil man in Mexiko Dritter wurde, sondern vorlebte, was später als deutsche Tugenden durchging: Weitermachen, immer weitermachen - nie aufgeben!
So wünscht man sich heute noch den Fußball. Nicht perfekt, sondern voller Leidenschaft. Nicht glamourös, sondern bodenständig. Nicht auf Instagram dokumentiert, sondern im persönlichen Austausch bei einem ehrlichen Filterkaffee am Esszimmertisch. Genau das war Seeler: Uns Uwe.
Als ich ihn 2019 bei den Feierlichkeiten im Fußballmuseum das letzte Mal traf, hatte er für die Fahrt nach Dortmund nochmals alle Kraft gesammelt. Er genoss die Gesellschaft unter seinesgleichen, das Gespräch mit seinem alten Freund Franz Beckenbauer und den vielen Weggefährten.
Man wird niemanden finden, der ein böses Wort über ihn verliert, man wird ihm, dem Ehrenspielführer, beim DFB immer ein verdientes Andenken bewahren. Allen jungen Fever Pit'ch Lesern empfehle ich das Seeler-Buch “Alle meine Tore”. Darin entdeckt Ihr die Seele des Fußballs.
Ein gesundes Wochenende wünscht
Euer Pit Gottschalk