Von Alex Steudel
Ich gestehe. Ich bin Kickers-Fan, habe aber in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Fan-Schal besessen, und der war ausgerechnet rot und weiß. Ich mochte ihn trotzdem sehr. Meine Oma in Griechenland hatte ihn mir gestrickt.
Das war 1977, und wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass Fußballschals 45 Jahre später zu einem Politikum werden würden, hätte ich mich gewundert. Ist doch nur Fußball und ein Schal, oder, hätte ich gesagt, wenn ich gewusst hätte, was ein Politikum ist.
Ich weiß noch, wie ich mich freute, als der VfB-Schal ankam. Er war wie gewünscht, also quer rot und weiß, außerdem irre 2,40 Meter lang und grobmaschig; ein Hipsterschal, würde man heute sagen.
Mit ihm machte ich meine ersten Schritte als Stadionbesucher. Es waren schwierige Schritte, denn selbst wenn ich ihn mir dreimal um den Hals wickelte, deshalb kaum Luft kriegte und Schweißausbrüche bekam (den Schweiß wischte ich mit dem VfB-Halstuch an meinem linken Handgelenk ab), trat ich dauernd aufs Gestrickte, das über den Boden schliff, und drohte hinzufallen.
Dieser Schal steht für meine Anfänge als Fußballfan. Ich trug ihn, weil der VfB im Sommer aufgestiegen und durchgestartet war. Es gab kein anderes Thema in der Stadt, man war VfB-Fan; vor allem, wenn man wie ich zwei Kilometer Luftlinie vom Neckarstadion entfernt, in Untertürkheim aufs Gymnasium ging und noch nie von den Kickers in Degerloch gehört hatte.
Einmal nahm ich ihn im Winter sogar stolz in die Schule mit, und es wurde viel gelacht, leider.
Mein erstes Spiel: Stuttgart besiegt Frankfurt vor 68.000 Zuschauern. D-Block. 2:1 nach 0:1-Rückstand. Zweimal Hermann Ohlicher. Ich: glücklich, heiser. Mein Schal: nassgeschwitzt.
So. Warum ich das alles schreibe? Weil ich glaube, dass ein Fußballschal etwas ganz Besonderes ist. Etwas Heiliges fast. Er speichert Erinnerungen. Memories, würde Schweini näseln. Er verbindet auch. Ein Schal gehört zum Fußball wie der Geruch des Rasens und der Bratwurst.
Mit dem Schal macht man keine Spielchen.